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Technokratie und Desinformation



Deduktion und Induktion


In der deduktiven Logik steht schon das System fest, in dem die Tatsachen untergebracht werden [Theimer 1985].

Deduktion ist auch die Ableitung des Einzelurteils aus einem vorgefassten (möglicherweise falschen) Grundsatz, auch im Sinne einer Arbeitshypothese, die sich noch bewahrheiten muss.

Induktion ist der Rückschluss von der Einzelerfahrung oder einem willkürlichen Urteil auf das Ganze, auch als Grundlage einer Hypothese bei der Theoriebildung.

[Theimer 1986]


Allerdings interpretiert man in einem aktuellen Biologie-Lehrbuch [Purves et al. 2006, Kap.1] die Deduktion umgekehrt als die auf Beobachtung beruhende Theoriebildung. Die Theoriebildung in der Biologie erfolge durch Deduktion in 5 Schritten: Beobachtung – Fragestellung – Hypothese – Prognose – Kontrolle.

Die Überprüfung von Hypothesen geschieht dann entweder durch den Vergleich empirisch erhobener Daten oder mit Hilfe kontrollierter Experimente.


Die Beobachtung als Ansatzpunkt scheint also das Wesentlichste sowohl von Deduktion als auch von Induktion zu sein. Vor allem ist ihre Kontrolle in möglichst vielen Varianten wichtig. Erst dann ist die Aufstellung einer Theorie zulässig.


Auch nach Theimer 1985 ist die Grundlage der wissenschaftlichen (Theorie-bildenden) Methode die induktive Logik und nicht die deduktive!

Die Wirklichkeit soll ohne vorgegebene Glaubenssätze (oder einseitige Beobachtungen) erkannt werden.

Andererseits sollen Hypothesen auf möglichst einfachen und bekannten Grundprinzipien aufgebaut werden.

[Theimer 1985]


Am konkreten Beispiel der Archäologie fällt ein Mangel der induktiven Methode auf: Es werden nämlich viele intensive Untersuchungen unternommen, ohne dass man zu übergreifenden Theorien gelangen könnte. Allerdings hatten sich beispielsweise die Theorien der Pioniere der Archäologie auch teilweise als falsch herausgestellt.

Ebenso ist auf vielen anderen Gebieten die Datenlage für eine alleserklärende Theorie noch unzureichend - wenigstens auf der Ebene individuellen Bewusstseins.


Als deduktiv wird das rationale Denken und als induktiv das schöpferische Denken bezeichnet.

Nach Francis Bacon ("Novum Organum scientiarum", 1620) sei die deduktive, scholastische Vernunft für das Studium der Natur und die Schaffung neuer Werke nicht das geeignete Werkzeug. Es sei notwendig, dass sich jeder auf etwas spezialisiere, anstatt dass alle dasselbe - ein vorgegebenes Dogma - denken und zustande bringen. [Rich 1998]

Wichtiger als die gewöhnlich anempfohlene Deduktion wäre mithin ein auf Induktion fußendes Wissen, das beispielsweise eine Untersuchung auf Grund realer Konflikte und Missstände in Angriff nimmt.


Und statt einer vollständigen Inventarisierung aller gedanklichen Möglichkeiten, wie sie in der deutschen Philosophie unternommen wurde ('Deduktive Logik'), würde ich die Beobachtung und Inventarisierung realer Dinge als weit drängendere Aufgabe ansehen. Ob das als 'Induktive Logik' zu bezeichnen wäre, ist Definitionssache.
Da sich die deutsche Philosophie vorzugsweise auf dem Terrain von Konstrukten und Vermutungen bewegte, wäre sie eher Induktion, Naturbeobachtung aber tatsächlich Deduktion.


Wenn man die Erscheinungen und die bekannten Gesetze der Physik und Biologie als Wahrheit anerkennt, ist man letztlich auf der sicheren Seite, Hypothesen und Theorien deduktiv aus ihnen abzuleiten. Der Verdacht liegt nahe, dass man mit der Bacon'schen induktiven Methode nur idealistische Systeme schaffen kann, die einer noch intensiveren Überprüfung bedürfen als deduktiv aus Lehrsätzen und Beobachtungen abgeleitete Systeme.



Literaturangaben:

Walter Theimer: Was ist Wissenschaft? Tübingen, 1985.
Walter Theimer: "Naturwissenschaftliche Methode" (in: Handbuch Nat.wiss. Grundbegriffe; 2. Aufl.. Tübingen, 1986.)
Bruce Rich: Die Verpfändung der Erde - Die Weltbank, die ökologische Verarmung und die Entwicklungskrise. Stuttgart, 1998. (Kapitel "Eine kurze Geschichte der Moderne als Entwicklung")
William K. Purves / David Sadava / Gordon H. Orlans / H. Craig Heller: Biologie; 7. Aufl.. München, 2006.



©  Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 19.5.2020