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Aus der Welt des Totalitarismus







Panslawismus als mögliche hypernationale Strategie in Europa


Leider scheint das Streben nach einer allgemeingültigen Rechtsordnung zwangsläufig zu imperialen Mächten mit geostrategischen Interessen zu führen.
In Wahrheit sollte eine hypernationale Rechtsordnung aber vor solchen Hegemonialmächten schützen.
Sie stellen eine Bedrohung aller kleinen Völker und Minderheiten der Welt dar.


Das Aufbegehren der Völker gegen das habsburgische Österreich scheint auf dessen Unterdrückung der Unabhängigkeitsbestrebungen Italiens um die Mitte des 19. Jh.s zurückzugehen.
1848 - 51 kam es sogar in Wien selbst zur Revolution; der imperiale Stratege Metternich musste aus den Habsburger Landen fliehen ...


Nicht nur die militärische Hegemonie, auch die Zugehörigkeit zu einer Rasse wurde wiederholt als Grundlage einer hypernationalen Ordnung herangezogen.

Jugoslawien sei der vorletzte Vielvölkerstaat gewesen, Russland der letzte [Thumann 2002]. Das gilt aber nur für Europa. Und hier würde die EU ja gerne ein neuer Vielvölkerstaat werden.
Das sowjetrussische Modell des Nationalstaates als Staatenbund gibt es auch in Indien, Nigeria und anderen Ländern.


Angeblich bildet der Panslawismus in einigen Ländern Europas immer noch einen erheblichen politischen Faktor, der durch die hypernationalen Institutionen der EU und der NATO bis zur Weißglut gereizt wird.

Dieser Panslawismus scheint aber eher von Russland und von Victor Orban als fauler Kartoffel gepflegt zu werden.


Schon Jaroslaw Hasek bediente panslawistische Emotionen. Sein Stil ist sozialrevolutionär, doch er agitiert vor allem gegen Österreich-Ungarn und seinen Kaiser als tschechischer Nationalist und sogar als ironischer Panslawist, der das Undenkbare herbeiwünscht - die Übernahme seines Landes durch Nikolai Nikolaijewitsch.

Dabei war die Donaumonarchie vielleicht nur der Vielvölkerstaat, in welchem beispielsweise der Schriftsteller Joseph Roth seine wahre Heimat sah, und keine imperiale Macht, zu welcher sie deutschtümelnde Hinterwäldler aufzupäppeln versuchten.


Auch der Panslawismus fungierte nebenbei als ersehnter Gigantismus, der im stalinistischen Ostblock tatsächlich Wirklichkeit wurde [Thumann 2002].

Diese Form des Panslawismus hat ihre Spuren hinterlassen, weil sie generationenlang fast alle kulturellen Kontakte zum Rest Europas gekappt hat.
Für Westeuropäer stellen infolgedessen nicht nur die Weltanschauung des Ostens, sondern vor allem die schwer zu erlernenden slawischen Sprachen eine kaum überwundene Barriere dar, die allerdings in entgegengesetzter Richtung mit größter Leichtigkeit übersprungen wurde.



Russifizierung - da lacht der Ork!


Im Gegensatz zu aristokratischen und autoritären Ideologien ist die Staatsidee in der liberalen Weltsicht nur durch Bürgerrechte definierbar.

Der illiberalen Weltsicht genügt militärische Gewalt als Staatsidee.

Chauvinisten können sich als Repräsentanten nationaler Identität, einer Finanzordnung oder anderer maßgeschneiderter Ideologien ausgeben, doch nicht als Vertreter der Bürgerrechte. Denn Bürgerrechte und -pflichten rangieren sogar vor der Nationalität und dem Geldbeutel.

Diese Weltsicht sah der Westen möglicherweise in der Perestroika verwirklicht. Aber nach Ansicht vieler Beobachter interpretierte man in Russland Bürgerrechte anders: “Nicht Gorbatschow galt die Sehnsucht" - es war die Breschnew-Zeit, die von den Russen mit “sozialem Schutz, Lebensfreude und zwischenmenschlichem Vertrauen” verbunden wurde [nach: Friedrich-Ebert-Stiftung, Moskau 1998 in: Thumann 2002].
Damit sind eindeutig Bürgerrechte zu assoziieren!

Mit dem Einzug des Neoliberalismus unter Jelzin verband man eher Banditentum und Korruption. Auch bei Westeuropäern ist die immerwährende und unerträgliche Litanei von der Priorität der Wirtschaft eines besserverdienenden Mittelstandes äußerst unbeliebt. Und doch gehört sie zum festen Repertoire fast aller Parteien, besonders aber der rechtslastigen unter ihnen.


Inwieweit diese Entwicklung die Ursache der völkischen Staatsideologie unter Putin wurde, die hauptsächlich anti-europäisch ist, sollte sich klären lassen.
Aber ein großer Teil der Russen war immer auch sehr nationalistisch eingestellt. Kraft dessen wurde von ihnen Panslawismus als militärische Russifizierung gedeutet!

Wie kann das postsowjetische Russland seinen Nachbarn die Unabhängigkeit abspenstig machen, die sie seinerzeit mit Auflösung der Sowjetunion erhalten hatten? Indem man sich an der zaristischen Welt des 19. Jahrhunderts orientiert und an dem sich damals entwickelnden Militarismus!


Am 24.3.1999 bombardierte die NATO “ausgewählte Ziele” in Serbien, das die ethnischen Minderheiten des ehemaligen Jugoslawiens mit entfesselter Wut bekämpfte.

Der russische Panslawismus unter Beihilfe der russisch-orthodoxen Kirche kochte ... [Thumann 2002].

Das Eingreifen der NATO in Serbien und im Kosovo konnte Wladimir Putin daher als Vorwand für den russischen Gewalteinsatz gegen autonome Staaten innerhalb des ehemaligen Russischen Reiches nutzen. Zuerst im 2. Tschetschenien-Krieg, dann in Georgien und schließlich auf der Krim und in der Ukraine.

Die Kriege Wladimir Putins haben weit mehr Opfer gefordert, als alle Kriege des Westens und Israels zusammen, besonders, wenn man seinen Einsatz in Syrien und Afrika hinzurechnet.

Die aktuelle Russifizierung wird möglicherweise weit heftiger betrieben als unter den Zaren. Und leider werden nicht mehr nur Kosaken-Pferdchen eingesetzt. Wie wird dieser ewige Krieg in 10, 20 oder 50 Jahren aussehen?


Was sich in den postsowjetischen Ländern des östlichen Europas an radikalen Bewegungen regt, ist sicher eher nationalistischer Militarismus als Panslawismus.

Und gerechterweise muss man sagen, dass sich dieser Militarismus überwiegend gegen die Russifizierung richtet, selbst wenn er auch einem schwachen Westeuropa gefährlich werden könnte.

Dass dieser Militarismus auch so unschöne Dinge wie eine Serbifizierung hervorrufen kann, haben wir gesehen.

Aus dessen Sicht könnte ein militärstrategischer Panslawismus bei weiteren Aggressionen Russlands notfalls den Westen übernehmen!


Dem Westen Europas und der EU wird jedoch weniger eine para-panslawistische Russifizierung von Regionen wie Serbien und seinen Exklaven, Gagausien und Transnistrien gefährlich. Eine viel größere Gefahr geht von der Russifizierung der Parteienlandschaft aus. Die deutsche "AfD"-Partei ist dem politischen Weltbild des Ostens am einfachsten zuzuordnen, sie fußt in der ehemaligen DDR, also dem pseudo-panslawistischen Ostblock.



Quellenangabe:

Michael Thumann: Das Lied von der russischen Erde. Stuttgart/ München, 2002.




©  Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 14.12.2025