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Aus der Welt des Totalitarismus







Blödheit und Mentalität


Man kann sich darüber aufregen, wie verkommen Leute sein müssen, die ein faschistisches Programm aufstellen, um sich damit an die Macht zu bringen. Deren Persönlichkeitsstruktur reicht aber in vieler Hinsicht nicht an die Verkommenheit derer heran, die ihnen anhängen und zur Macht verhelfen.

Donald Trump ist nur das Baby-Monster, was muss das für ein Land sein, das ihn gewählt hat.


Autoritäre Systeme sind nichts für normale Menschen, sondern auf die abnorme Psyche debiler und indolenter, also geistesschwacher und empfindungsloser Persönlichkeitsstrukturen zugeschnitten.

Niemand hätte es für möglich gehalten, dass die modernen Demokratien noch einmal in den Geisteszustand zurückfallen würden, der offenbar zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts geherrscht hat.

Demokratie wird wieder politisch als Zustand einer Unbelehrbarkeit zweckentfremdet, die unvermeidlich in die Katastrophe führt.


Jaroslav Hasek hat gezeigt, wie ein pfeiferauchender Soldat Schwejk zum Bewachen von "Dynamit, Ekrasit und Schießbaumwolle" abkommandiert, und da er die dadurch ausgelöste Explosion als einziger überlebt, zum Korporal befördert werden kann.


Schwejks Geisteszustand droht, durch seine Beständigkeit jedes vernünftige “Denken und Handeln” [Alain 1921] zu verhindern.

Diese Beharrlichkeit konnte aber wohl nur in Haseks "Ur-Schwejk", einem zum Äußersten simplifizierten Witzblattgeschichtchen, zum Happy End führen.


In den stilistisch weiter entwickelten "Abenteuern des braven Soldaten" gelang es dem Autor, immer wieder herauszuarbeiten, dass Blödheit gar nicht etwa Schwejks Geisteszustand war, sondern der Kommandoton des gesamten autoritären Staats- und Militärwesens geworden war, das den Ersten Weltkrieg herbeiführte.
Verglichen mit dieser Mentalität des Herrschens wurde die Blödheit Schwejks zur Weisheit.

In dieser Erzählung blieb das Ende offen, weil Hasek infolge exzessiven Alkoholkonsums nur den ersten Teil seines monumentalen Werkes überlebt hat ...


Blödheit kann natürlich auch als Waffe eingesetzt werden, letztlich ist sie aber auf die blöde Ignoranz der Interessengruppen, die alle Missstände der Welt herbeiführen, zurückzuführen.

Die Blödheit des Volkes ist die gefährlichste Waffe autoritärer Regimes. Sollte das Volk nicht blöd sein, so muss seine Blödheit herbeikommandiert werden.




Fanatischer Fatalismus


“DER OPTIMIST: Vor einem möchte ich Sie warnen: zu generalisieren.”
Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit; IV. Akt, 15. Szene.


E. A. Chartier, der unter dem Pseudonym Alain schrieb, hat es tatsächlich geschafft, in seinem kurzen Artikel “Vom Fanatismus” den Zusammenhang zwischen autoritärer Gesinnung und Stagnation oder Rückschritt plausibel darzustellen; sie bilden ein untrennbar Gemeinsames.

Die Ursache oder der Zusammenhang liegt in einem Unvermögen, das sich bis zum Fanatismus aufschwingt [Alain 1921, 53)].

Das Unvermögen wird zunächst Fatalismus ...
"Die fatalistische Seele" sucht nach Zeichen mystischer Stasis oder versucht, sie "durch Zaubersprüche" herbeizuführen.

Sie führt "Krieg gegen alles, was forschende Vernunft ist und humane Hoffnung, alsdann gegen jeden entschlossenen Willen".
In der von den Umständen geknechteten Seele des Fatalisten reduziert sich die Hoffnung "auf die Erwartung größtmöglichen Unheils".
Fanatisch glaubt sie nur das Schlimmste und hasst die Hoffnung. [Alain 1921, 53)]

Realiter ist dieses Schlimmste sicher der Glaube an die Allmacht eines Systems ...
Dessen Tyrannei wird nicht in Frage gestellt, aber über diese Tyrannei wird bereits günstig geurteilt, wenn sie weniger grausam agiert als sie könnte.


Sich in das Unglück stürzen, also der Fatalismus, entspricht einer Leidenschaft für das Tragische, das aber leider auch das Unausweichliche ist.


Der Fatalist wird dann von E.A. Chartier genauer charakterisiert
1. als "mechanisch funktionierende Figur",
2. als bloßer "Barometer" des Geschehens,
3. und als jemand, der seinen Glauben zur Wirklichkeit erklärt (- natürlich, um sich nicht mit Rationalität zu überanstrengen!).
[Alain 1921, 55)]


Aus dieser Mentalität erwachsen seine Ideologien und aus diesen Ideologien sein Fanatismus.


Ideologie ist die Anbetung des Faktischen, auch wenn es nicht der Wahrheit entspricht ...

Das geschieht als Abwehr aller produktiven Aktivität, die eine Verbesserung herbeiführen könnte.


Neurasthenie, ein ehemaliger Modebegriff der Psychoanalyse, wird von Alain als Entscheidungsschwäche definiert, die natürlich sehr schnell und zwangsläufig aus dem allgemeinen Defaitismus entstehen muss.

Der Staat dürfe aber nicht wie ein Neurastheniker handeln, sondern müsse den Dingen und Gefahren vorgreifen, über das Schicksal bestimmen. [Alain 1921, 69)]


Neurasthenie entsteht, weil der Bürger sich devot der öffentlichen Meinung unterwerfe, sie aber nicht selber beeinflussen wolle, bis sie ihm endlich in einer aberwitzigen Agenda aufgetischt wird.

Die Regierenden verhalten sich genauso wie die Regierten.

Wenn niemand fähig sei, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, wird natürlich der äußerste Schwachsinn zur öffentlichen Meinung. [Alain 1921, 69)]


Trotzdem entscheidet die Masse, was richtig und falsch ist.

Der "Glauben des tausendköpfigen Leviathans" vermittelt dabei das Gefühl der Stärke, das aber paradoxerweise Schwäche ist, nämlich das Fehlen selbstbestimmten und rationalen Denkens, sowie die Aufgabe der Gerechtigkeit unter Selbstaufopferung zugunsten der Willkür.

Indem der demokratische Leviathan prinzipiell mit staatlicher Macht gleichgesetzt werden kann, lässt er sich nämlich gleichzeitig zu einer Gewaltherrschaft des entfesselten Mob instrumentalisieren.



Alain setzte die Medienöffentlichkeit mit der Mentalität des Fatalismus gleich, obgleich er selber in ihr aktiv war.

Pessimismus sei die Unterwerfung unter etwas Mechanisches, Optimismus aber verantwortliches Denken und Handeln.

Sobald man sich aufgibt, wird "der Pessimismus ein natürlicher Zustand, der Optimismus dagegen eine Frucht der Willensanstrengung" [Alain 1921, 70)].

In der nahen Vergangenheit haben die Medien aber eher einen überschwenglichen Optimismus verbreitet, der rückblickend nun als unangebracht erscheinen muss. Optimismus sollte eben nicht nur eine ideologische Grundhaltung, sondern auch faktenbestimmt sein.


Um nicht der Selbstaufgabe zu verfallen, sei es wichtig, sich zu wappnen gegen "wie Fliegen umherschwirrende Meinungen. Zuerst ein guter Fliegenfänger gegen Zeitungen und Zeitschriften." [Alain 1921, 70)]
Die heutigen interaktiven Medien sorgen natürlich für ein noch viel verhängnisvolleres "Umherschwirren" ...

Offensichtlich sind es der Aberwitz und die Blödheit dieser Meinungen, die die Vernunft paralysieren.




Führertum


Ziel und Zweck der gesellschaftlichen Transformation durch den Nationalsozialismus war offensichtlich eine verbrecherische Mentalität, die sich nur graduell von der Mentalität der Blödheit unterschied.

Hitler behauptete in einer Rede im September 1933, am 3. Januar habe keine Partei, sondern eine "Weltanschauung" die Macht ergriffen [Hofer 1957, Teil III].


Diese Mentalität maßte sich die Rechtshoheit an.

Das wird in den Worten des Hans Frank deutlich: "Grundlage der Auslegung aller Rechtsquellen ist die nationalsozialistische Weltanschauung, wie sie insbesondere in dem Parteiprogramm und den Äußerungen unseres Führers ihren Ausdruck findet." [Zs. "Deutsches Recht" 1936]


Das Führertum mit allen Rechten der Gesetzgebung zu versehen, beschwört eine zu Tränen rühren sollende Einheitsmentalität herauf.

Selbst das Richteramt sei nur dem "gesunden Volksempfinden" verpflichtet und ansonsten unabhängig.
Grundlage der Rechtsprechung wurden letztendlich die idiotistischen Meinungsäußerungen des Führers, wenn auch umgesetzt in einem so genannten "Volksgerichtshof".
Der Volksgerichtshof hatte sich mit der "Aburteilung von Hochverrats- und Landesverratssachen" insbesondere gegenüber der Befehlskette dieses Hitler-Staates zu beschäftigen.


Der Jurist Carl Schmitt suchte als Feigenblatt in der Volks- bzw. Rassezugehörigkeit statt in Gesetzesparagraphen die Grundlagen des Rechts, an welchem "Artfremde" bzw. nicht Artgleiche folglich nicht teilhaben können [Carl Schmitt: Staat, Bewegung, Volk - Die Dreigliederung der polit. Einheit. 2.Aufl., Hamburg, 1933].

Carl Schmitt hat sich nicht etwa an die Mentalität und Ideologie eines politischen Verbrechertums in Nazideutschland angepasst, sondern dieses selber entscheidend gestaltet [Hofer 1957, Teil III, Dokument 55].


Das alles wäre der allgemeine geistige Absturz in eine Mentalität gewesen, die aus einem Anführer, der im Falle Hitlers eindeutig als Hundeführer zu klassifizieren ist, Autorität zu ziehen versucht.
Man kann einfach nicht glauben, dass die Deutschen in der Überzeugung ihrer Rassereinheit den Spaziergang an der Leine dieses Hundeführers tatsächlich als ihre ganze Freiheit akzeptierten.

Was aber, wenn der Führer in Wahrheit das Werkzeug der Deutschen gewesen wäre? Wenn Hitler von ihnen einfach als Fortschritt gegenüber dem Kaiser gesehen worden wäre?




Quellen:

Alain [Emile Auguste Chartier]: Mars oder die Psychologie des Krieges (übersetzt von Heinz Abosch). Frankfurt/M., 1985 (Originalausgabe 1921).
- 53] Vom Fanatismus
- 55] Vom Fatalismus als Doktrin
- 69] Von der Neurasthenie
- 70] Vom Pessimismus

Walther Hofer (Hg.): Der Nationalsozialismus - Dokumente 1933 - 1945. Frankfurt/M., 1957 (20. Nachdruck 1971).
-- III. Das nationalsozialistische Herrschaftssystem



©  Stephan Theodor Hahn, Bad Breisig, am 15.4.2025