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Fuzzy Logic


"Ab einer gewissen Schwelle werden Präzision und Signifikanz (Relevanz) fast sich gegenseitig ausschließende Eigenschaften."
Lofti A. Zadeh, Erfinder der Fuzzy Logic als Komponente digitaler Regelungstechnik


1.

Auch in französischen Urlaubsgebieten gibt es Fernsehapparate, und wenn man ein Land nach seiner Fernsehwerbung beurteilen wollte, dann unterbietet Frankreich in seinen Werbespots das, was in Deutschland gesendet wird, noch um Dimensionen:
Hier wird der Alltag des "typisch" ethnischen Franzosen in "seiner" urwüchsig-ländlichen Umgebung und in glücklichem Einklang mit den Lebewesen, die ihm gleich als Fertiggericht serviert werden, glorifiziert. Diese Werbung soll wohl - wenn überhaupt - über einige gefährliche Fehlfunktionen des Denkens trotzdem patriotische Gefühle ansprechen.
In der deutschen Fernsehwerbung gibt ja eher ein urbaner Jetset den Ton an, oder der Schlaumeier im Fernsehzuschauer soll herausgefordert werden.

Ein schlechtes Licht auf den Gesundheitszustand des französischen Fernsehzuschauers überhaupt wirft, dass in France TV so viele Ärzte-Soaps laufen.

Offenbar begegnet man hier auch den Neuen Medien mit größter Naivität: im Zug traf ich immer wieder auf erwachsene Männer, die in wahrhaft kindlicher Verzückung mit ihrem Notebook spielten.



2.

Ausgerechnet an der französischen Riviera scheint sich das viel gelobte Prinzip der Fuzzy Logic durchgesetzt zu haben.

Unliebsame Trends (die Autokratie des Cheque-Heftes, Hedonismus, Automobilismus) haben äußerlich zu relativ guten Ergebnissen geführt, die sich aber letztendlich nur als eine kostspielige Fassade erweisen, die nicht einmal Erholungssuchenden eine kurzfristige Ablenkung bieten kann.
Es entsteht sogar der Verdacht, dass sich dieses Feriengebiet nicht einmal dafür eignet, hier seinen Alltag zu verbringen.


Die Verkehrserschließung erdrückt das Erschlossene und die Verfügbarkeit von genügend Kapital befreit die Region von der Notwendigkeit zu eigener Produktion.

Die französische Riviera als Kulturlandschaft ist infolgedessen kaum zu dokumentieren, umsomehr Fotodokumente könnte man von der schönen neuen Welt des Autos und der Immobilien liefern, was ich auch tun werde.

Die folgenden beiden Fotos zeigen, dass individuell beweglichen Blechbehältern die unbedingte Priorität vor einer lebenswerten Infrastruktur aus Haus, Acker und Heimat gegeben wird, und dass das menschliche Maß auch an der Riviera völlig aus dem öffentlichen Raum verdrängt worden ist.






Der Süden erhielt erst durch den Tourismus eine tragfähige Wirtschaft (Bauwirtschaft, Dienstleistungen), die aber von saisonalen Besuchern abhängig blieb und damit von Vielen als aufgepfropft empfunden werden musste.

Die Unzahl von Läden und Restaurants wird während großer Teile des Jahres nur wenig besucht. Und die Produzenten von Lebensmittel-Spezialitäten stellen ihre unglaublichen Preise wohl auf recht seltene, kauffreudige und kaufkräftige Fremde ein, während die Einheimischen eher auf die industrielle Massenware der Diskounter an den Ausfallstraßen zurückgreifen.





Die besondere Situation einer Dienstleistungsgesellschaft mit nur ephemerer Klientel muss zu Anpassungsstrategien bei den Küstenbewohnern führen. Denn die nur einige Wochen im Jahr anwesenden Hausbesitzer dünnen das Kundenpotential sicher beträchtlich aus - sogar für Bauhandwerker, Gärtner etc..  Dienstleister müssen daher weitere Strecken zurücklegen, größere Vorleistungen erbringen, höhere Preise verlangen. - Ernüchternde Erfahrungen mit dem hiesigen Erwerbsfleiß lassen sich so leicht erklären.


Die Organisation des täglichen Lebens ist eine solche, dass man so gut wie nie zu dem Ziel gelangt, das man erreichen wollte, oder das bekommt, was man haben wollte. - Bei mir als Ortsfremdem führte das dazu, dass ich für Dinge, die ich sonst in Stunden erledige, hier Tage benötigte.

Der Franzose in seinem Geschäftsgebaren erweckt geradezu den Eindruck der Nachlässigkeit - die Öffnungszeiten sind äußerst gewöhnungsbedürftig und meistens ist man gerade zur falschen Zeit vor Ort:
Ein Geschäft ist trotz anderslautender Öffnungszeiten geschlossen, erfreut sich aber außerhalb der Öffnungszeiten starken Zulaufes. Oder die Bustickets werden einmal nur in den Büros, einmal nur in den Bussen verkauft.

Auch diese "Unordnung" hat sicher ein System, das die größtmögliche Zufriedenheit der Beteiligten bezweckt: Vielleicht gibt es deshalb so ausgeprägte Mittagspausen, damit auch Berufstätige in den Genuss eines Mittagstisches kommen, und hierdurch die Wirte ein Einkommen haben. Und zumindest für das Wochenende braucht man keine Hamsterkäufe zu machen, weil Großmarkt und viele Läden am Sonntag zumindest vormittags geöffnet haben.







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